Die Digitalisierung wird in afrikanischen Staaten mit großer Vehemenz und Geschwindigkeit umgesetzt. Statt weiterhin die veraltete Infrastruktur aus der Kolonialzeit zu reparieren, setzt Afrika auf digitale Mittel. Statt Telefonmasten und Kabel, werden Sendemasten gebaut, statt neue Geldscheine zu drucken wird digital gezahlt, statt teuren landwirtschaftlichen Maschinen mit Verbrennungsmotor werden Drohnen eingesetzt, und Medikamente und Post werden ebenfalls mit Drohnen in die abgelegensten Gebiete geliefert. Statt mit Angst reagiert Afrika mit viel Engagement auf diese neuen Entwicklungen.
Dr. Imme Gerke
Bremen Business Club (BBC): Frau Dr. Gerke sie sind Zellbiologin und arbeiten als strategische Beraterin für landwirtschaftliche Organisationen aber auch für staatliche Institutionen auf der ganzen Welt und helfen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. In diesem Zusammenhang sind Sie mit der rasanten digitalen Transformation in Afrika in Berührung gekommen.
BBC: Was sind die Auswirkungen der digitalen Transformation auf dem afrikanischen Kontinent? Wie verändert sich das Leben der Menschen in Afrika im Zeichen der Digitalisierung?
Frau Dr. Gerke: Viele Dinge, die die Menschen in Afrika schon lange wollen, die aber bisher an mangelnder Infrastruktur gescheitert sind, werden jetzt möglich. Afrika kann den Rest der Welt ansprechen, und dies auch, und Afrika kann Allianzen und Kooperationen bilden, die sie schon lange haben wollen.
BBC: Wie gestaltet sich der Aufbau der digitalen Infrastruktur?
Frau Dr. Gerke: Das Gute an der digitalen Infrastruktur ist, dass sie sehr viel weniger aufwendig ist als alle bisherigen Systeme und trotzdem sehr viel mehr leistet. Der Aufbau wird von allen unterstützt: Privatleute, Privatfirmen, Regierungen auf allen Ebenen, Internationale Organisationen und ausländische Firmen, die die digitalen Mittel für ihre eigenen Zwecke benötigen.
BBC: Welche digitalen Innovationen kommen aus Afrika?
Frau Dr. Gerke: Die digitalen Innovationen in Afrika liegen nicht so sehr in der Entwicklung neuer Systeme, sondern eher in der Anwendung der Systeme, die woanders entwickelt worden sind. Ein besonderes Thema ist der Einsatz von Drohnen, durch die heute Probleme gelöst werden, die die längste Zeit ungelöst geblieben sind: Pflanzenschutz, Medikamentenversorgung, Kartierungen, etc.
BBC: Welche digitalen Innovationen sind auch für die Westliche Welt interessant?
Frau Dr. Gerke: Drohneneinsätze, Einbindung von Schulen in isolierten Regionen, internationale Kommunikation.
BBC: Ist die Digitalisierung für Afrika eine Chance um der Armut zu entfliehen?
Frau Dr. Gerke: Afrika hat nicht den Anspruch, der Armut zu entfliehen, sondern ihr zu entwachsen. Dabei sieht Afrika absolut die Probleme, die der Westen hat und nicht die Absicht diese zu Wiederholen. Die Digitalisierung ist ein Schlüssel im Schloß der Tür. Das Problem bleibt, dass es diese Tür geben muss, und dass sie leider mehrere Schlösser hat.
BBC: Gibt es eine eigene afrikanische Industrie oder StartUp-Szene die die digitale Transformation vorantreibt?
Frau Dr. Gerke: Es gibt in Afrika viele Firmen die ihren eigenen Apps entwickeln, fast jede Firma oder Organisation hat eine Webseite, afrikanische Produkte werden über das Internet verkauft, wer sich in Europa eine Webseite anlegen will, kann diese von einer afrikanischen Firma anlegen und betreuen lassen. In diesem Sinne ist Afrika das neue Indien.
BBC: Ist die digitale Transformation der afrikanischen Gesellschaft fair? Partizipieren alle?
Frau Dr. Gerke: Ich denke schon, dass sie fair ist aber es gibt natürlich Umstände, die Unterschied schaffen. Wer sich an der Digitalisierung beteiligen will braucht Strom. Strom gibt es noch nicht überall. Es gibt auch noch nicht überall Sendemasten und Satelitensysteme sind teuer. Aber es passieren zwei Dinge gleichzeitig: Strom aus Solar- und Windenergie werden immer billiger und mobiler, und das Wissen über die Option der Satelitensysteme breitet sich aus.
BBC: Wo befindet sich das „Silicon Valley“ auf dem Afrikanischen Kontinent?
Frau Dr. Gerke: Ich glaube nicht, dass es dies gibt. Zumindest habe ich nichts davon gehört. Natürlich gibt es immer wieder Leute, die solche Ansprüche erheben aber tatsächlich spriesst die Digitalisierung wie ein frisch gesäter Rasen im Frühling: überall.
BBC: Gibt es Nachteile der Digitalisierung?
Frau Dr. Gerke: Ich sehe keine. Afrika hat immer wieder bewiesen, dass es Fortschritt und Tradition in sehr gesunder Weise miteinander verbinden kann. Die geographische Isolation voneinander, die bis zu Beginn der Digitalisierung ein ‘Divide and Conquer’ zugelassen hat, wird heute überwunden. Afrikas Werte und seine Stärken haben enorme Bedrohungen überlebt. Gemessen an dem, was Afrika bereits überlebt hat, stellt die Digitalisierung keine Bedrohung dar. Wichtig ist, dass Afrika auf dem jetzigen Weg der Selbstständigkeit bleibt und sich nicht in die Hände anderer begibt. Im Rahmen der Digitalisierung ist Afrika da auf einem sehr guten Weg.
Der Bremen Business Club bedankt sich für die Zeit die sich Frau Dr. Gerke genommen hat.